Veranstaltung zum Semesterauftakt

“Ein Rentner im Un-Ruhestand kramt in alten Terminkalendern und Quittungsbüchern, sortiert längst vergessene Notizen. Da sind Termine, Orte, Namen und Themen aufgelistet. Die knappen Stichworte rufen Erinnerungen wach, fast vergessene Geschichten treten plötzlich wieder ganz klar und lebendig ins Bewusstsein. Joachim Krause stand 30 Jahre lang als Natur-wissenschaftler im Dienst der evangelischen Landeskirche in Sachsen. Nun erzählt der ehemalige „Beauftragte für Glaube, Naturwissenschaft und Umwelt“ in präzise zugeordneten und dennoch unterhaltsamen Episoden von seinen Erfahrungen.

Wie gelang es ihm, trotz der Informationssperre in der DDR an die Fakten zu brisanten Umweltproblemen heranzukommen? Die ersten „Fälle“, um die sich Krause Anfang der 1980er Jahre kümmerte, waren das „Waldsterben im Erzgebirge“, „Die Zähne der Kinder in Dohna“ oder die „Schwermetallbelastungen in der Umgebung der Freiberger Hüttenindustrie“. In Veranstaltungen berichtete er über seine Entdeckungen, viele der brisanten Fakten gab er auch auf Handzetteln weiter (mühsam im „Ormig“-Verfahren vervielfältigt). „Nur für den innerkirchlichen Gebrauch!“ stand darauf. Die Amtskirche bot ein schützendes Dach für die Aktivitäten „ihrer“ Umweltgruppen. Die kritische Beschäftigung mit Umweltproblemen führte nicht nur zu Beschwerden staatlicher Stellen bei der kirchlichen Obrigkeit, schnell begleitete auch die Stasi Krauses „staatsfeindliche Tätigkeit“ auf Schritt und Tritt. Dennoch war erstaunlich viel an öffentlichem Wirken möglich. 1985 erschien in einer Auflage von 7.000 Exemplaren seine Broschüre „Tipps für umweltgerechtes Verhalten im Alltag“. Nach dem Atom-Unfall in Tschernobyl veröffentlichte Krause im halblegalen kirchlichen Untergrund ein 64 Seiten dickes Heft für seine DDR-Mitbürger, die nach klaren Informationen verlangten. Dieses Heft ging auf dem Postweg auch an Erich Honecker, war doch eine Äußerung von ihm als Titel verwendet worden („ … nicht das letzte Wort“ – Kernenergie in der Diskussion). Erstaunlicherweise lag das Material wenige Tage später tatsächlich auf dem Schreibtisch des Generalsekretärs – und er vermittelte ein Gespräch mit staatlichen Fachleuten.

1988/89 trat die „Ökumenische Versammlung“ der Kirchen in der DDR zusammen. Sie stellte sich den gesellschaftspolitischen Fragen, die die Bevölkerung bewegten und bedrückten und die amtlich-staatlich totgeschwiegen wurden. Krause war als Leiter einer Arbeitsgruppe dabei („Energie für die Zukunft“); in ihrem Ergebnispapier beschrieb sie visionär eine zukünftige Energiepolitik, die auf Kernenergie verzichtet und sich im Wesentlichen auf erneuerbare Energien stützt.

Schon vor der Wende hatte sich der Autor kritisch mit dem Uranbergbau in der DDR („Wismut“) und seinen Folgen beschäftigt. Privat sah das zum Beispiel so aus, dass er strahlendes Material auf dem Schulhof seiner Kinder ausgrub und an die zuständigen Behörden schickte (daraufhin wurde der Schulhof umgehend saniert!).

In der Wendezeit verkehrte sich vieles. Krau-se war nun nicht mehr „Staatsfeind“, sondern er wurde 1990 von Umweltminister Töpfer als Berater berufen, um die Gesundheitsdaten der Wismut-Kumpel zu sichern. Nebenbei war er auch für ein halbes Jahr Vorsitzender von Greenpeace/DDR. Krause berichtet von seiner Teilnahme bei misslungenen Parteigründungen, wie er Runde Tische beriet, wie er und seine Freunde nach Alternativen suchten. Im Original abgedruckte Dokumente aus jenen Jahren zeugen von den Hoffnungen und Illusionen. Da scheiterte er mit seinen Bemühungen um die Errichtung eines eigenen Bürger-Windparks, begegnete neuen Fragestellungen wie „Gesteinsabbau für den Aufschwung Ost?“, „Gentechnik auf Kirchenland?“ oder „Mobilfunk auf dem Kirchturm?“. Krauses Themenspektrum gewann in den Jahren nach 1990 noch einmal ganz neue Facetten, und die Arbeits-möglichkeiten und auch das Publikum hatten sich deutlich verändert: 2010 hatte er 27 unterschiedliche Themenangebote im Gepäck, seine Internetseite wurde jährlich von 70.000 Besuchern genutzt.

Joachim Krause lädt ein zu einem Spaziergang durch die jüngere Zeitgeschichte, und er ermutigt seine Leser zum Erzählen ihrer eigenen Erfahrungen.”
(Conrad Zabka 2014)

 

Plakat

Am 17.03.2015 um 17 Uhr stellt Joachim Krause sein neustes Werk vor:
“Die Verschiebung des Horizonts – eine Spurensuche im Terminkalender”


Vom Waldsterben in der DDR über Kernenergie, Klimawandel und alternative Energien bis hin zu Stammzellenforschung, Organspende und Würde des Sterbens spannt sich das Spektrum an Themen, die Menschen im Wandel unserer Gesellschaft auf den Nägeln brennen. Seit Jahrzenten trägt Joachim Krause Informationen auch aus wenig zugänglichen Quellen zusammen, um sie einer wissbegierigen und aktiven Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Tagebuchaufzeichnungen des früheren Beauftragter der sächsischen Landeskirche für Glaube und Naturwissenschaft machen ein Stück Zeitgeschichte lebendig.

Die Lesung findet in der Hochschulbibliothek am Kornmarkt in Zwickau statt, der Eintritt ist frei.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen!

Die Teilnahme können sich Studierende auf ihrem
Nachweisbogen zum Studium generale eintragen lassen.

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